Texte von Franz von Assisi


Da Franziskus schon zu Lebzeiten eine bekannte Persönlichkeit war und eine überragende Bedeutung für die von ihm gegründete Gemeinschaft hatte, sind viele seiner Texte sorgfältig aufbewahrt worden und blieben erhalten. Darunter befinden sich wichtige Grundaussagen zu seinem Lebensideal, Gebete und Briefe. Eine kleine Auswahl der wichtigsten Schriften habe ich hier zusammengestellt.

Beim Lesen wird sofort die ungeheure geistige Distanz deutlich, die uns vom Mittelalter trennt. Vieles in den Schriften muss aus der Entstehungszeit heraus verstanden werden und kann nicht wörtlich auf unsere Situation bezogen werden. Anderes hingegen ist von zeitloser Aktualität und trifft direkt auch in das Lebensgefühl der heutigen Menschen.

Ebenfalls deutlich wird, dass Franziskus kein Wissenschaftler, noch nicht einmal ein im heutigen Sinne gebildeter Mensch war. Bildung war im Mittelalter Mönchen und Adeligen vorbehalten. Die Formulierungen sind oft kantig und etwas ungeschickt, sprechen aber das Gemeinte ohne Umschweife aus. Unter der Berücksichtigung dieser Umstände ist die Lektüre dieser Texte ein faszinierendes Abenteuer, das viele Aspekte unserer eigenen Existenz berührt.

Der Sonnengesang

Auszüge aus dem Testament des Franziskus

Auszüge aus der nichtbullierten Regel

Lobpreis Gottes


DerSonnengesang

Der Sonnengesang ist sicher der bekannteste Text von Franziskus. In ihm drückt sich noch einmal die Verbundenheit des Heiligen mit der ganzen Schöpfung und sein Gottvertrauen aus. Franziskus verfasste ihn im Jahre 1225 fast erblindet, bereits schwer erkrankt und auch enttäuscht von manchen Entwicklungen in seinem Orden. In dieser Situation ist der Sonnengesang ein beeindruckendes Zeichen seiner Kreativität und seines Lebensmutes.

“Du höchster, mächtigster, guter Herr, Dir sind die Lieder des Lobes, Ruhm und Ehre und jeglicher Dank geweiht. Dir nur gebühren sie, Höchster, und kein Mensch ist würdig, Dich nur zu nennen.

Gelobt seist Du, mein Herr, mit allen Wesen, die Du geschaffen hast, vor allem der edlen Herrin, der Schwester Sonne. Denn sie ist der Tag und spendet Licht uns durch sich. Sie ist schön und strahlend in großem Glanz. Dein Gleichnis ist sie, Erhabener.

Gelobt seist Du, mein Herr, durch Bruder Mond und die Sterne. Am Himmel hast Du sie gebildet, hell leuchtend, kostbar und schön.

Gelobt seist Du, mein Herr, durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken und heiteren Himmel und jegliches Wetter, durch welches Du Deinen Geschöpfen den Unterhalt gibst.

Gepriesen seist Du, mein Herr, durch Schwester Wasser, gar nützlich ist sie und demütig und rein.

Gepriesen seist Du, mein Herr, durch Bruder Feuer, durch den du die Nacht erleuchtest; er ist schön und liebenswürdig und kraftvoll und stark.

Gepriesen seist Du, mein Herr, durch unsere Schwester, die Mutter Erde. Sie ernährt und lenkt uns und bringt vielfältige Früchte hervor und bunte Blumen und Kräuter.
Gepriesen seist Du, mein Herr, durch jene, die verzeihen um Deiner Liebe willen, die Schwachheit ertragen und Bedrängnis. Selig sind die, die solches ertragen in Frieden, denn sie werden von Dir, Erhabener, gekrönt.

Gepriesen seist Du, mein Herr, durch unseren Bruder, den leiblichen Tod; ihm kann kein Mensch lebend entrinnen. Wehe jenen, die in schweren Sünden sterben. Selig jene, die sich in Deinem allheiligen Willen finden, denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.

Lobt und preist meinen Herrn, dankt und dient Ihm mit großer Demut.”



Auszüge aus dem “Testament” des Franziskus

Das Testament ist die letzte Schrift, die Franziskus verfasst hat und ist wenige Tage vor seinem Tod entstanden. In ihm betont er in einfacher, fast ungelenker Sprache noch einmal die grundlegenden Elemente seiner Spiritualität.

“So hat der Herr mir, dem Bruder Franziskus, gegeben, das Leben der Umkehr zu Gott zu beginnen: denn als ich in Sünden war, kam es mir sehr bitter vor, Aussätzige zu sehen. Und der Herr selbst hat mich unter sie geführt, und ich habe ihnen Barmherzigkeit erwiesen. Und da ich fortging von ihnen, wurde mir das, was mir bitter vorkam, in Süßigkeit der Seele und des Leibes verwandelt. Und danach hielt ich eine Weile inne und verließ die Welt.
Und der Herr gab mir in den Kirchen einen solchen Glauben, dass ich in Einfalt betete und sprach: “Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus - und in allen Deinen Kirchen, die in der ganzen Welt sind, und preisen Dich, weil Du durch Dein heiliges Kreuz die Welt erlöst hast.”
[...]
Und wenn ich so große Weisheit hätte, wie Salomon sie gehabt hat, und fände armselige Priester dieser Welt - in den Pfarreien, wo sie weilen, will ich nicht gegen ihren Willen predigen. Und diese und alle anderen will ich fürchten, lieben und ehren wie meine Herren. Und ich will in ihnen die Sünde nicht sehen, weil ich den Sohn Gottes in ihnen erblicke und sie meine Herren sind. Und deswegen tue ich das, weil ich leiblicherweise von ihm, dem höchsten Sohn Gottes, in dieser Welt nichts sehe als seinen heiligsten Leib und sein heiligstes Blut, das sie selbst empfangen und sie allein den anderen darreichen.
[...]
Und nachdem mir der Herr Brüder gegeben hat, zeigte mir niemand, was ich zu tun hätte, sondern der Höchste selbst hat mir geoffenbart, dass ich nach der Vorschrift des heiligen Evangeliums leben sollte. Und ich habe es mit wenigen Worten und in Einfalt schreiben lassen, und der Herr Papst hat es mir bestätigt.
[...]
Und jene, die kamen, dies Leben anzunehmen, gaben alles, was sie haben mochten, den Armen. Und sie waren zufrieden mit einem Habit, innen und außen geflickt, samt Gürtelstrick und Hosen. Und mehr wollten wir nicht haben.
[...]
Und ich arbeitete mit meinen Händen und will arbeiten; und es ist mein fester Wille, dass alle anderen Brüder eine Handarbeit verrichten, die ehrbar ist. Die es nicht können, sollen es lernen, nicht aus Sucht, einen Arbeitslohn zu empfangen, sondern des Beispiels wegen und um den Müßiggang zu vertreiben. Und wenn uns einmal der Arbeitslohn nicht gegeben würde, so wollen wir zum Tisch des Herrn Zuflucht nehmen und Almosen erbitten von Tür zu Tür.
[...]
Der Herr hat mir geoffenbart, dass wir als Gruß sagen sollten: “Der Herr gebe dir den Frieden!” Hüten sollen sich die Brüder, dass sie Kirchen, ärmliche Wohnungen und alles, was für sie gebaut wird, keinesfalls annehmen, wenn sie nicht sind, wie es der heiligen Armut gemäß ist, die wir in der Regel versprochen haben; sie sollen dort immer wohnen wie Pilger und Fremdlinge.”




Auszüge aus der “nichtbullierten Regel”

Die sogenannte nichtbullierte Regel ist die Ordensregel, die galt, bevor Franziskus in Abstimmung mit dem gesamten Orden und den Kardinälen eine endgültige, auch juristisch fundierte Regel verfasste. Diese endgültige, vom Papst schriftlich bestätigte, (“bullierte”) Regel trat 1223 in Kraft. Die nichtbullierte Regel entstand in den Jahren vorher Schritt für Schritt aus der von Papst Innozenz im Jahre 1210 mündlich bestätigten ersten Regel. Ich zitiere hier Auszuüge auseinigen Kapitel der Regel.

Gegenüber der bullierten Regel, die stärker auf juristische Klarheit achtet und bezüglich des Armutsideals auch manchen Kompromiss eingeht, atmet die nichtbullierte Regel den Geist und die Begeisterung des Anfangs und stellt ein leuchtendes Zeugnis franziskanischer Haltung dar. Aus dem ziemlich umfangreichen Gesamttext (27 Buchseiten) gebe ich hier einige kurze Passagen wieder, die mir besonders wichtig erscheinen.



Kap. 1: Regel und Leben dieser Brüder ist dieses, nämlich zu leben in Gehorsam, in Keuschheit und ohne Eigentum und unseres Herrn Jesu Christi Lehre und Fußspuren zu folgen, der sagt: “Wenn du vollkommen sein willst, dann geh und verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach.” (Mt 19,21)

Kap. 4: Die Ordensoberen sollen eingedenk sein, dass der Herr sagte: “Ich bin nicht gekommen, bedient zu werden, sondern zu dienen” (Mt 20, 28), und dass ihnen die Sorge für die Seelen der Brüder anvertraut ist. Und sollte etwas von diesen durch ihre Schuld und ihr schlechtes Beispiel verloren gehen, so werden sie Rechenschaft ablegen müssen vor dem Herrn Jesus Christus.

Kap 7: Und die Brüder, die arbeiten können, sollen arbeiten und das Handwerk ausüben, das sie verstehen. [...] Und für die Arbeit können sie alles Notwendige annehmen, außer Geld. Und wenn es notwendig ist, sollen sie um Almosen gehen wie andere Arme... Und mag zu ihnen kommen, wer da will, Freund oder Feind, Dieb oder Räuber, so soll er gütig aufgenommen werden... Und sie mögen sich hüten, sich nach außen hin traurig und wie düstere Heuchler zu zeigen; sie sollen sich vielmehr als solche zeigen, “die sich im Herren freuen” (Phil 4, 4) und heiter und liebenswürdig sein, wie es sich geziemt.

Kap 14: Wenn die Brüder durch die Welt ziehen, sollen sie nichts auf dem Weg mit sich führen, weder Beutel noch “Tasche noch Brot noch Geld noch Stab” (Lk 9, 3). Und wenn sie irgendein Haus betreten, sollen sie zuerst sagen: “Friede diesem Hause!” (Lk 10, 5). Und sie mögen in diesem Haus bleiben und essen und trinken, was man ihnen vorsetzt. Sie sollen dem Bösen nicht widerstehen, sondern wenn sie jemand auf die eine Wange schlägt, sollen sie auch die andere hinhalten (Mt 5, 39).

Kap 16: Die Brüder aber, die hinausziehen (in heidnische oder islamische Länder, Anm.), können in zweifacher Weise unter ihnen geistlich wandeln. Eine Art besteht darin, dass sie weder Zank noch Streit beginnen, sondern “um Gottes Willen jeder menschlichen Kreatur” (1 Petr 2, 13) untertan sind und bekennen, dass sie Christen sind. Die andere Art ist die, dass sie, wenn sie sehen, dass es dem Herrn gefällt, das Wort Gottes verkünden.

Kap. 24: Im Namen des Herrn! Ich bitte alle Brüder, den Wortlaut und Sinn dessen, was in dieser Lebensordnung zum Heil unserer Seelen geschrieben ist, zu erlernen, und sich dieses häufig ins Gedächtnis zurückzurufen. Und ich flehe zu Gott, er, der allmächtig, dreifaltig und einer ist, möge alle segnen, die dies lehren, lernen, bei sich haben, sich zu Herzen nehmen und vollbringen, sooft sie wiederholen und tun, was daselbst zum Heil unserer Seelen geschrieben ist... Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, so auch jetzt und immer und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.



Lobpreis Gottes

Der Lobpreis Gottes befindet sich im Original auf einem Blatt, das Franziskus für Bruder Leo während seines Aufenthaltes auf dem Alvernaberg im Jahre 1224 schrieb. Bruder Leo war einer der ersten Gefährten und engsten Vertrauten von Franziskus und befand sich zu dieser Zeit in einer schweren Glaubenskrise. Der Text, der eigentlich ein Gebet ist, sollte Bruder Leo ermutigen und im Glauben stärken. Außerdem befindet sich auf dem Blatt noch ein Segenswunsch für Bruder Leo.



“Du bist der heilige Herr,
der alleinige Gott,
der Du Wunderwerke vollbringst.

Du bist der Starke,
Du bist der Große,
Du bist der Erhabenste.
Du bist der allmächtige König,
Du heiliger Vater,
König des Himmels und der Erde.

Du bist der dreifaltige und eine Herr, der Gott aller Götter.
Du bist das Gute, jegliches Gut, das höchste Gut,
der Herr, der lebendige und wahre Gott.

Du bist die Liebe, die Minne.
Du bist die Weisheit.
Du bist die Demut.
Du bist die Geduld.
Du bist die Schönheit.
Du bist die Milde.
Du bist die Sicherheit.
Du bist die Ruhe.
Du bist die Freude.
Du bist unsere Hoffnung und Fröhlichkeit.
Du bist die Gerechtigkeit.
Du bist das Maßhalten.
Du bist all unser Reichtum zur Genüge.

Du bist die Schönheit.
Du bist die Milde.
Du bist der Beschützer.
Du bist unser Wächter und Verteidiger.
Du bist die Stärke.
Du bist die Erquickung.

Du bist unsere Hoffnung.
Du bist unser Glaube.
Du bist unsere Liebe.
Du bist unsere ganze Wonne.
Du bist unser ewiges Leben:
Großer und wunderbarer Herr,
allmächtiger Gott, barmherziger Retter.”


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