Jesus Christus - Sohn oder Prophet?

Das Offenbarungsverständnis in Islam und Christentum

Matthias Petzold
Brühl,14. September 2017

 

Ausgehend von einigen Versen im Koran, die eine erstaunliche Nähe zum christlichen Glaubensbekenntnis aufweisen, untersucht die Arbeit, wie die Meinungsverschiedenheit über die Person Jesu entstanden ist, welche Unterschiede und welche Verständigungs-möglichkeiten es zwischen den Religionen gibt, und welche spirituellen Grundhaltungen hinter der jeweiligen Sichtweise stehen. Der Text stellt heraus, dass es in der Diskussion über die dogmatischen Grundlagen des Glaubens vor allem um die Frage geht, wie es überhaupt möglich ist, dass der ewige, unendliche Gott sich den Menschen in ihrer Begrenztheit offenbaren kann.

Das Vorwort weiter unten stellt die Intention des Textes noch etwas ausführlicher dar.  Die gesamte Arbeit kann hier als PDF-Datei heruntergeladen werden. Der Text ist grundsätzlich kostenfrei und zur Weitergabe gedacht. Zum urheberrechtlichen Umgang mit meinen Texten gibt es hier einige Hinweise.

 

 

Jesus Christus - Sohn oder Prophet?
Das Offenbarungsverständnis in Islam und Christentum
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Vorwort

Am Anfang dieser Arbeit stand eine große Verwunderung. In dem Buch „Und Jesus ist sein Prophet - Der Koran und die Christen“ von Mehdi Bazargan, in dem alle Koranverse zusammengestellt sind, die sich auf das Christentum beziehen, fand ich den Vers: „Der Messias Jesus, der Sohn der Maria, ist der Gesandte Gottes und Sein Wort, das Er in Maria legte, und Geist von Ihm“ (Sure 4, 171). Ich fand keinen Widerspruch zwischen diesem Vers und dem, was ich als Christ mit dem Begriff „Sohn Gottes“ verbinde: Jesus ist der Messias, er ist das göttliche Wort, das durch Maria Fleisch angenommen hat, und er ist der Mittler des Geistes Gottes. Wenn sich Christentum und Islam in der Sicht auf Jesus also so ähnlich sind, warum ist dann die Verständigung zwischen beiden Religionen so schwer?

Das Thema interessierte mich so sehr, dass ich begann, weitere Nachforschungen anzustellen. Ich merkte, dass die Frage nach der Stellung Jesu und nach der Stellung des Korans im Verhältnis zu Gott an die Grundlagen beider Religionen rührt, nämlich dem Verständnis dessen, wie göttliche Offenbarung für die Menschen überhaupt geschehen kann.

Im Laufe meiner Suche stellte ich fest, dass diese Frage ganz unterschiedliche theologische und religionsgeschichtliche Themen wie die Entwicklung der christlichen Dogmatik, die Entstehung des Islam, die innerislamische Diskussion über die Stellung des Korans und schließlich auch die theologischen und politischen Auseinandersetzungen zwischen beiden Religionen berührt. Es stellte sich ebenfalls heraus, dass diese Themen in unterschiedlicher Weise auch Gegenstand der theologischen Forschung sind und dass meine eigenen Gedanken in den entscheidenden Punkten mit den akademischen Mehrheitsmeinungen übereinstimmten.

Das war zunächst einmal eine Beruhigung: Ich war also nicht auf dem Holzweg und war mit meinem intuitiven Verständnis der Texte in Übereinstimmung mit dem aktuellen Forschungsstand; oft so sehr, dass es mich selbst überraschte. Außerdem stellte ich fest, dass das mir wichtige Anliegen der Verständigung beider Religionen an vielen Orten und von vielen kompetenten Menschen vorangetrieben wird.

Andererseits war diese Erkenntnis in gewisser Weise auch eine Enttäuschung. Wenn diese Anliegen und Gedanken im akademischen Bereich schon präsent sind, sind sie dann bei den Experten nicht viel besser aufgehoben als in einer von mir geschriebenen Arbeit? Welchen Wert kann ein Text, der von einem interessierten und theologisch gebildeten Laien geschrieben wurde, in diesem Zusammenhang überhaupt haben? Letztlich kam ich dann jedoch zu der Auffassung, dass diese Arbeit auch für etwaige Leser nützlich sein kann, und zwar aus mehreren Gründen.

Erstens liegt der eigenständige Wert dieser Arbeit in ihrem Aufbau und ihrem Zuschnitt. Alle Fäden, die mit dem Thema zusammenhängen, werden aufgenommen und zu einem Gesamtbild verknüpft, das sowohl die Probleme als auch die Lösungsmöglichkeiten des christlich-islamischen theologischen Gegensatzes sorgfältig darstellt und zueinander in Beziehung setzt. Die wissenschaftlichen Texte, die ich gefunden habe, beschäftigten sich hingegen immer nur mit einzelnen Aspekten der Thematik. Wer die vorliegende Arbeit liest, erhält also einen fundierten Einblick in die gesamte Materie, der dann gegebenenfalls anhand der Literaturliste im Anhang weiter vertieft werden kann.

Zweitens bietet gerade die Tatsache, dass ich kein akademisch ausgebildeter Theologe oder Islamwissenschaftler bin, eine Chance. Ich habe alle Darstellungen und Argumentationen von den Grundlagen her aufgebaut und dabei auch auf sprachliche Klarheit geachtet. Das Lesen dieser Arbeit setzt also weder Vorkenntnisse noch Vertrautheit mit der theologischen Fachsprache voraus. Dadurch ist sie für Menschen interessant, die sich in meiner Situation befinden: theologisch und weltanschaulich interessierte Laien, die sich über die Grundlagen des christlich-islamischen Gegensatzes und die Möglichkeiten des Religionsdialogs informieren möchten. Die Arbeit reflektiert dabei meine Überzeugung, dass Glaubenseinstellungen in so vieler Hinsicht das Leben der Menschen prägen, dass es zu einer wirklichen Verständigung nur kommen kann, wenn man eine gegenseitige Akzeptanz des anderen Glaubens auch auf fundamentaltheologischer Ebene erreicht. Diese Akzeptanz kann es aber nur geben, wenn man die Grundanliegen der jeweils anderen Religion versteht.

Schließlich, und nicht zuletzt, bietet diese Arbeit auch den Anlass, den eigenen Glauben wieder auf den Prüfstand zu stellen. Die in ihr dargestellten theologischen Entwicklungen sind das spannende Zeugnis des Ringens der Menschen um die Fragen nach Gott, nach der Welt und nach dem Menschen selbst. Dieser Text kann und soll wieder dazu anregen, sich auf das Abenteuer der Entdeckung Gottes, besser: des Sich-entdecken-lassens durch Gott, einzulassen. In diesem Sinne wünsche ich den Lesern, bei aller Ernsthaftigkeit der Thematik, auch Freude und Inspiration bei einer Reise durch die unendliche Geschichte Gottes mit den Menschen.

Zwei Menschen haben mir entscheidend bei der Fertigstellung dieser Arbeit geholfen: Meine Tochter Katharina, die in ihrer bewährt zuverlässigen und eleganten Art Lektorat und Layout übernommen hat, und Dr. Werner Höbsch, Referent für interreligiöse Fragen beim Erzbistum Köln i.R., der den Text nach seiner ersten Fertigstellung noch einmal ausführlich mit mir gemeinsam durchgegangen ist und wertvolle Hinweise und Anregungen gegeben hat. Beiden danke ich ganz herzlich.

 

 

 

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